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Duplikat Kundenkontakte (Leads) sind ein Indikator für Kaufinteresse (Intent)

Eine meiner Lieblingsfragen wenn ich mit Marketingfachleute über das Management ihrer Leads oder ihre Marketing-Automatisierungsplattform spreche, lautet: “Wie gehen Sie mit einem doppelten Lead um?”. Warum gerade diese Frage? Weil sie mir Aufschluss über den Reifegrad des Unternehmens im B2B-Marketing gibt.

Von einem doppelten Lead spricht man, wenn man einen neuen Kontakt identifiziert, der sich für die eigene Website/Dienstleistung/Produkt zu interessieren scheint, aber zu einem Unternehmen gehört, das bereits als Lead registriert wurde (manchmal handelt es sich sogar um denselben Kontakt, der auf die Website zurückkehrt). Die Antwort, die ich am häufigsten auf die Frage nach doppelten Leads zu hören bekomme, lautet: „Wir löschen das neue Lead aus dem System, weil wir bereits einen Kontakt von dem Unternehmen erfasst haben“. Zudem wird häufig noch angemerkt: „Wir würden ihn [den doppelten Lead] nicht an den Vertrieb weitergeben, weil dieser sich beschweren würde, dass wir ihm diesen Lead bereits gegeben hätten“.

Fast alle Marketing-Automatisierungssysteme sind darauf ausgerichtet lediglich einen Lead auf Kontaktebene zu erfassen und zu bearbeiten. So kann nur eine einzelne Person aufgenommen werden. Dies ist dann derjenige, welcher als Erstes aus dem Unternehmen im System registriert wurde. Im B2B-Bereich entscheidet jedoch fast nie eine einzelne Person allein, welches Produkt oder welche Dienstleistung gekauft wird. B2B-Einkäufe werden stets in Teams getätigt und die Größe solcher Einkaufsteams hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Heutzutage sind im Durchschnitt etwa 12 Personen an einer B2B-Kaufentscheidung beteiligt, laut McKinsey.

Dies wirft aber zwei wichtigen Problemen auf:

  • Die Anzahl der Personen aus einem Unternehmen, die sich Ihre Lösung anschauen oder in Betracht ziehen, wird nicht erfasst, wäre jedoch eine relevante Information
  • Wer weiß schon, ob die erste Person, welche Ihr System erfasst hat, im Entscheidungsprozess überhaupt von Bedeutung ist

Account-Based Marketing – Was ist es?

Unsere Kollegen in den USA und im Vereinigten Königreich haben längst damit begonnen Account-Based Marketing (ABM) einzuführen. Dies bedeutet, dass sie ihren Verkaufsprozess auf Unternehmensebene (Account) und nicht mehr auf Kontaktebene betrachten. Die Marketingabteilung erarbeitet gemeinsam mit dem Vertrieb eine Liste von Zielkunden, welche ein “ideales” Kundenprofil aufweisen. Darüber hinaus setzen sie Tools ein, welche das Web-Verhalten der Kunden beobachten. Dadurch kann man feststellen, ob und in welchem Umfang Mitarbeiter von bestimmten Unternehmen zu ihrem Produkt oder ihrer Dienstleistung recherchieren.

In Deutschland ist ABM bisher noch nicht richtig angekommen. Das erste, was vielen bei dieser Abkürzung in den Sinn kommt, ist Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (alle Top-10 Google Ergebnisse zu ABM) oder Arbeitsmanagement-Plattformen (wie auf der Website von Capterra Deutschland bei der Suche nach “ABM„). Meine Erfahrung bei der Diskussion um Account-Based Marketing in deutschen Marketing-Organisationen ist, dass der Fokus vor allem auf der Festlegung der gemeinsamen Strategie mit dem Vertrieb und dem Erstellen einer Ziel-Kundenliste liegt. Die heutzutage üblicherweise eingesetzten Technologien wie Predictive Analytics (Voraussagende Analytik), B2B-Werbung, Re-Targeting und Account-Based Marketing werden hingegen kaum verwendet. Wie üblich sind wir in Deutschland auch weiterhin etwas risikoscheu, wenn es um den Kauf neuer Marketingtechnologien geht.

Nun hat die Covid-19-Pandemie auch für die Geschäftswelt weitreichende Veränderungen mit sich gebracht. Viele Geschäfts- und Marketingregeln wurden über Nacht umgeschrieben und ich beginne zu sehen, wie infolgedessen das Interesse an der Einführung von Account-Based-Marketing in deutschen Unternehmen zunimmt. Zahlreiche Unternehmen sind gerade dabei ihren Marketing-Mix neu zu gestalten, um Account-Based-Marketing effizienter in ihre Strategie einzubeziehen. Ich gehe davon aus, dass das Interesse an den wertvollen und inzwischen recht ausgereiften ABM-Technologien in den nächsten Jahren auch hier in Deutschland deutlich zunehmen wird.

Ein Bekenntnis zu ABM im Marketing würde bedeuten, dass doppelte Leads zukünftig ganz anders betrachtet werden. Die Anzahl der Kontakte aus einem Unternehmen (Account) liefert dem Vertrieb wertvolle Informationen über dessen Einkaufsteam und gilt zudem als wichtiger Indikator dafür, wie stark das Kaufinteresse des Zielkunden ist. Die Anzahl der Kontakte sollte daher ein wichtiger Faktor für die Bewertung von Leads und darüber hinaus für die Bewertung des Kunden insgesamt werden.

ABM führt zwei neue Begriffe ins B2B-Marketing ein:

  • In market” (am Markt). Es wird geprüft, ob ein Kunde (Account) aktiv nach den ihren Produkten oder Dienstleistungen sucht. Selbst wenn Ihr Zielmarkt 500 Unternehmen umfasst, werden zu jeder gegebenen Zeit nur etwa 10 % von ihnen aktiv recherchieren/einkaufen. Daher ist es sehr hilfreich zu wissen, welche Unternehmen in diesem Quartal zu diesen 10 % gehören. Dies bedeutet natürlich nicht, dass Sie die übrigen 90 % nicht mehr ansprechen sollten. Ihre Marketing-Strategie für diese Unternehmen sollte jedoch anders aussehen. Für diese Unternehmen eignet sich eher eine auf Aufklärung und Markenbezug gerichtete Strategie als eine rein verkaufsfördernde.
  • Intent” (Kaufinteresse). ABM-Systeme helfen auch dabei die Wahrscheinlichkeit zu ermitteln, mit welcher ein bestimmter Kunde die von Ihnen angebotenen Produkte und Dienstleistungen kaufen möchte. Es ist außerdem möglich zu unterscheiden, ob der Kunde gerade erst mit der Recherche beginnt oder tatsächlich schon kurz vor einer Bestellung steht. Natürlich nützt es Ihnen relativ wenig, wenn Sie einen Lead erst zu diesem späten Zeitpunkt entdecken. Sie werden kaum eine Chance haben mit Anbietern zu konkurrieren, die den Kunden bereits im Blick hatten, als dieser mit seinem Projekt begann und somit gerade erst das “In market” Kriterium erfüllte.

Aus Vertriebssicht ist ABM, mit Betrachtung von „in market“ und „intent“ Signale, eine logische und notwendige Evolution des Inbound-Marketings. Denn Vertriebler arbeiten seit Jahrzehnten mit Key Account-Listen und bearbeiten die unterschiedlichen Entscheiderprofile bei potenziellen Zielunternehmen punktgenau. Für die meisten B2B-Marketers ist der Ansatz völlig neu, individuelle Content- und Marketingstrategien für eine eng anvisierte Gruppe von Zielunternehmen aufzusetzen.


Peter O’Neill ist ein Veteran des Technologiemarketings mit über 40 Jahren Erfahrung in der Beratung von Anbietern und Endnutzern sowie in der forschungsbasierten Beratung.

Er ist vor allem für seine 12-jährige Tätigkeit als Branchenanalyst bei Forrester Research bekannt, wo er bis 2017 als Forschungsdirektor die Forrester-Forschung zu den Themen B2B-Marketingorganisation, -prozesse und -automatisierung leitete.

Er ist weiterhin als Branchenanalyst tätig und arbeitet mit der Research in Action GmbH und der B2B Marketing Organisation in London zusammen, um forschungsbasierte Berichte über Anbieterlandschaften und B2B Marketing Trends und Herausforderungen zu verfassen. Außerdem schreibt und kuratiert er laufend Marketinginhalte für einige Anbieter von Marketingautomatisierungssoftware

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Website: www.marchnata.eu

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