- 30/11/2022
- Recherche
Medienkonsum-Umfrage 2022: Naht das Ende der Vertreter? Ein Experten-Talk
Sind Vertreter für den Kaufabschluss bald überflüssig? Immer mehr Einkäufer ziehen es vor, sich selbstständig online zu informieren, und fällen ihre Kaufentscheidung anhand des angebotenen Contents. Das ist ein zentrales Ergebnis der TechTarget-Umfrage „Medienkonsum 2022“.
Seit 15 Jahren liefert die jährliche TechTarget-Umfrage zum Medienkonsum wertvolle Einsichten in das Verhalten von Technologie-Käufern. Mehr als 500 Fachkräfte standen uns dieses Jahr Rede und Antwort, davon 76 aus dem DACH-Raum.
Die Ergebnisse dieser Umfrage wollten wir jedoch nicht unkommentiert im Raum stehen lassen. Deshalb lud Brent Boswell, Senior Vice President bei International TechTarget, zwei Branchenkenner zum virtuellen Gespräch ein:
- John Rogers, Group IT Director der Punter Southall Group, teilte seine Erfahrungen aus Käufersicht und
- Ben Bulpett, Senior Director Global Field and Partner Marketing bei Algolia verriet uns seine besten Tipps und Tricks aus Verkäufersicht.
Die vertreterfreie Kauferfahrung: Fakt oder Fiktion
Müssen sich Vertreter bald neue Jobs suchen? Jeder B2B-Käufer konsumiert im Durchschnitt 13 Markeninhalte pro Monat. Sie informieren sich gründlich im Internet und sind in der Lage, Auswahlkriterien oder eine Anbieterliste allein auf Basis digitaler Inhalte zu erstellen.
86 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben sogar an, dass sie in einer Idealwelt nahezu oder vollständig unabhängig von Vertretern agieren würden.
Laut Brent Boswell, Senior Vice President International bei TechTarget, gibt es einen unbestreitbaren Trend, der sich nicht leugnen lässt: Käufer verbringen weniger Zeit mit Vertriebsteams und recherchieren dagegen immer häufiger selbst mithilfe von Content.
Käufer verbringen weniger Zeit mit Vertriebsteams und recherchieren dagegen immer häufiger selbst mithilfe von Content.”
Brent Boswell, Senior Vice President, International, TechTarget
Wenn B2B-Käufer doch mit einem Vertreter Kontakt aufnehmen, erwarten Sie,
- dass dieser sich vorab über das Unternehmen informiert hat,
- dass er als Geschäftspartner auftritt und
- dass er nicht allein eine bestimmte Lösung verkaufen möchte, sondern sich auf das Problem der Käufer konzentriert.

TechTarget fragte John Rogers, Group IT Director bei der Punter Southall Group nach seinen Erfahrungen mit Vertretern. Sein Unternehmen lädt schon frühzeitig im Kaufprozess meist zwei bis drei Vertreter ein: „Vertreter, die stets hilfreiche Informationen liefern, bekommen bei uns den Fuß in die Tür. Und mit der Zeit werden sie zum bevorzugten Anbieter.“
Bei Kaufentscheidungen spielten auch Emotionen eine große Rolle. „Wir arbeiten nicht gern mit Leuten zusammen, die Informationen zurückhalten oder aggressiv auftreten. Wenn ich einen Vertreter jedoch mag, mache ich auch gern Geschäfte mit ihm“, so das Fazit von John Rogers.
Es ist für Vertreter aktuell also schwieriger geworden, relevant zu bleiben – unmöglich ist es aber nicht. Vorausgesetzt, sie erfüllen die Erwartungen der Kunden.
Wo informieren sich Käufer am liebsten?
Laut unserer Medienkonsum-Umfrage informieren sich Käufer von Technologielösungen bevorzugt online über neue Produkte und Anbieter. Doch womit viele Anbieter wahrscheinlich nicht rechnen, ist, wie gründlich sie von potenziellen Kunden unter die Lupe genommen werden.
John Rogers verriet im Gespräch, dass er auch auf Bewertungsportalen wie Glassdoor recherchiert, ob die Mitarbeiter des anvisierten Unternehmens mit ihrer Arbeit zufrieden sind. Außerdem prüft er die finanzielle Situation und die Bilanzen eines Anbieters, bevor sein Unternehmen eine langfristige Zusammenarbeit in Betracht zieht.
Eine ansprechende Unternehmenswebsite, die das Produkt gut erklärt, kann bei Rogers ebenfalls punkten. Sein Team hingegen interessiert sich besonders für technische Informationen und nimmt auch gern an Webinaren teil.
Telefonanrufe sind out. E-Mails sind in.
„Telefonanrufe funktionieren nicht. Sie sind eine totale Zeitverschwendung“, so die Meinung von Technologieeinkäufer John Rogers. Was laut seiner Erfahrung jedoch hervorragend funktioniert, sind zielgerichtete und gut geschriebene E-Mails.
Als Entscheider erhält Rogers etwa 100 E-Mails pro Woche. Doch nur zwei bis drei E-Mails pro Monat erwecken seine Aufmerksamkeit. Was macht diese so besonders?
„Diese E-Mails sind persönlich an mich adressiert. Die Absender haben sich die Zeit genommen, mehr über mich, mein Unternehmen und meine Bedürfnisse zu erfahren. Sie sind nur vier bis fünf Abschnitte lang und enthalten keine Grammatikfehler.“
John Rogers Tipp für Marketers: Senden Sie nicht hunderte E-Mails auf einmal. Qualität zählt mehr als Quantität. Fünf gut-verfasste E-Mails pro Tag liefern wahrscheinlich bessere Ergebnisse.
Telefonanrufe funktionieren nicht. Sie sind eine totale Zeitverschwendung.”
John Rogers, Group IT Director, Punter Southall Group
Marketingprofi Ben Bulpett, Senior Director Global Field and Partner Marketing bei Algolia, kann dem nur zustimmen. Er warnt vor allem vor der falschen Verwendung von E-Mail-Automation. So praktisch diese neue Technologie auch ist, Leads werden von unpersönlichen, automatisierten Nachrichten nicht begeistert sein.
Sein Unternehmen setzt daher zunehmend auf Purchase Intent Data, das heißt Daten zur Kaufabsicht. „Wenn wir keine Aktivität und Interesse in einem Marktsegment sehen, behelligen wir diese Personen gar nicht erst mit E-Mails oder Telefonanrufen“, so das Fazit von Ben Bulpett. Alles andere sei nur Zeitverschwendung.
„Wir als Marketers sehen unsere neue Aufgabe darin, das Vertriebsteam darüber zu informieren, welche Leads tatsächlich ein potentielles Interesse an unserem Produkt haben“, erklärt Ben Bulpett.
Ben Bulpetts Tipp für Marketers: Senden Sie Prospects hilfreiche Informationen wie einen kostenlosen Bericht. Damit öffnen Sie Türen für weitere Gespräche.

Relevanter Artikel: Wie Sie mit Nurture-Marketing im B2B-Bereich Vertrauen aufbauen und Kunden gewinnen, haben wir in diesem Artikel bereits ausführlich erläutert.
Nehmen Sie alle Leads wichtig
Unsere Medienkonsum-Umfrage zeigte deutlich, wie divers die Käufergruppen sind und wie viele Personen aus unterschiedlichen Bereichen schlussendlich an einer Kaufentscheidung beteiligt sind. Verkäufer sollten daher keine Rolle links liegen lassen.
Ben Bulpett erzählte uns eine interessante Geschichte aus seinem Alltag:
„Vor einiger Zeit lud ein Praktikant ein paar unserer Whitepaper herunter. Unser Vertreter nahm Kontakt auf, meinte dann aber, es sei nur ein Praktikant gewesen und winkte ab. Ich fragte ihn, worum es dem Praktikanten gegangen sei, aber der Vertreter hatte nicht danach gefragt.“ Ben Bulpett bat ihn, noch einmal anzurufen.
Es stellte sich heraus, dass der Praktikant an Cybersecurity-Themen interessiert war und Recherche im Auftrag des CIO betrieb. „Ich nahm daher an, dass er einen guten Draht zum CIO hatte und wollte sicherstellen, dass unser Unternehmen ganz oben im Bericht des Praktikanten auftauchte.“
Ben Bulpetts Team stellte dem Praktikanten vier oder fünf Artikel zur Verfügung. „Das Ergebnis? Ein sehr produktives Meeting mit dem Unternehmen.“
Ben Bulpetts Fazit lautet daher: „Unterschätzen Sie niemals die Zahl der Personen in der Käufergruppe sowie deren Titel und Funktion im Unternehmen. Denn manchmal haben Personen weit unten in der Firmenhierarchie einen recht großen Einfluss“.
Unterschätzen Sie niemals die Zahl der Personen in der Käufergruppe sowie deren Titel und Funktion im Unternehmen. Denn manchmal haben Personen weit unten in der Firmenhierarchie einen recht großen Einfluss.”
Ben Bulpett, Senior Director Global Field and Partner Marketing, Algolia
Alle Infografiken der Umfrage zum Download
Möchten Sie alle Details der Umfrage genauer kennenlernen? Hier können Sie unsere fünf PDFs mit den deutschen Infografiken direkt herunterladen:
- Eigenschaften des Käuferteams
- Denken Sie Präsenzveranstaltungen neu
- Ist digitale Müdigkeit ein Mythos?
- Verpassen Sie dem richtigen Channel den richtigen Content
- Fakt oder Fiktion: Die vertreterfreie Kauferfahrung
Die wichtigsten Erkenntnisse der Medienkonsum-Umfrage 2022
Im ersten Teil dieses Artikels haben wir die wichtigsten Ergebnisse der aktuellen Medienkonsum-Umfrage 2022 von TechTarget genauer vorgestellt und erläutert, welche Schlüsse Marketingprofis von Technologielösungen daraus ziehen können:
- Unterschätzen Sie nicht die Rolle der IT-Mitarbeiter bei Kaufentscheidungen
- Berücksichtigen Sie lange Recherche- und Kaufzyklen
- Legen Sie weniger Fokus auf Präsenzveranstaltungen
- Konzentrieren Sie sich auf Online-Marketing
Werfen Sie einen Blick auf den ersten Artikel und finden Sie heraus, wie Technologie-Käufer wirklich ticken.
Priority Engine von TechTarget liefert Tech-Unternehmen wichtige Daten und Einblicke in Interessenten und Leads. Auf diese Weise können Sie potenzielle Käufer je nach Region und Marktsegment schneller identifizieren, besser priorisieren und passgenaue Inhalte anbieten.